Mit Urteilen von heute hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Klagen einer GmbH aus Bochum bzw. eines Unternehmers aus Essen gegen die Rückforderung ihnen gewährter sogenannter NRW-Soforthilfen stattgegeben.
Diese Soforthilfen wurden im März und April 2020 - in Höhe von 9.000 bis 25.000 Euro - an Soloselbständige und kleine Unternehmen zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie und des "Lockdowns" gewährt. Später forderte das Land Nordrhein-Westfalen die Empfänger der Soforthilfe auf, im Rahmen eines Rückmeldeverfahrens Angaben zu ihren Einnahmen und Ausgaben im Förderzeitraum zu machen. Aus diesen errechnete das Land einen sogenannten Liquiditätsengpass, setzte in Abhängigkeit von diesem in einem Schlussbescheid die Höhe der Soforthilfe neu fest und forderte ggf. einen Teil des gewährten Betrages zurück. Bereits im Jahr 2022 hatte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in mehreren Pilotverfahren diese Schlussbescheide als rechtswidrig aufgehoben. Die dagegen gerichtete Berufung des beklagten Landes wies das Oberverwaltungsgericht im Jahr 2023 zurück.
Die Kläger haben im Rahmen des Rückmeldeverfahrens ein Feld im dafür vorgesehenen Formular angekreuzt, das (auszugsweise) wie folgt beschriftet war: "Im Förderzeitraum hatte ich keinen Liquiditätsengpass im Sinne der Förderbedingungen und erkläre deshalb unwiderruflich, dass ich die mit dem Bewilligungsbescheid gewährte Soforthilfe (einschließlich fiktivem Unternehmerlohn) nicht in Anspruch nehme." Die Kläger erhielten daher keinen Schlussbescheid. Stattdessen forderte das Land Nordrhein-Westfalen die Soforthilfe von den Klägern aufgrund des erklärten Verzichts in voller Höhe zurück.
Das Verwaltungsgericht hat diese Rückforderung als rechtswidrig bewertet und aufgehoben, weil die Kläger nicht wirksam auf die Soforthilfe verzichtet haben. Die Erklärung im Rahmen des Rückmeldeverfahrens stellt mangels Freiwilligkeit keinen Verzicht dar, weil der Aufbau des Formulars und die Beschriftung des Ankreuzfeldes suggerierten, dass die Kläger mangels eines Liquiditätsengpasses auf die Soforthilfe verzichten müssten. Dies traf aber nicht zu. Aufgrund des wiederholten Hinweises, falsche Angaben im Rahmen des Formulars seien strafbar, hat das beklagte Land zusätzlichen Druck auf die Kläger ausgeübt, den vermeintlichen Verzicht abzugeben. Schließlich durfte das Land die Erklärung auch deshalb nicht als freiwilligen Verzicht verstehen, weil es für die Kläger keinerlei Grund gab, einen solchen abzugeben. Ein solcher Verzicht ist für sie nämlich ausschließlich von Nachteil. Allein das Land würde von einem Verzicht profitieren.
Beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen sind noch rund 30 weitere Klagen gegen Rückforderungsbescheide wegen eines vermeintlichen Verzichts auf die Soforthilfe anhängig.
Gegen die Urteile kann Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden, über den das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entscheidet.
Aktenzeichen: 19 K 3380/24 und 19 K 5722/23