Jahrespressegespräch

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen: Corona und die elektronische Akte veränderten den Gerichtsalltag im Jahr 2020

 

Zwei Ereignisse prägten im Jahr 2020 den Gerichtsalltag am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen: Die Corona-Pandemie und die am 1. Mai 2020 gestartete Einführung der elektronischen Akte.

„Anders als in weiten Teilen des öffentlichen Lebens hat es bei uns keinen Lockdown gegeben“, betonte Gerichtspräsident Dr. Siegbert Gatawis beim heutigen Jahrespressegespräch. „Wir waren und sind jederzeit arbeitsfähig, auch wenn Einschränkungen insbesondere beim Sitzungsbetrieb unvermeidbar waren“, fuhr Dr. Gatawis fort.

So kam nach Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 der Sitzungsbetrieb zwar vorübergehend zum Erliegen, ein Verfahrensstau konnte jedoch abgewendet werden. Dazu trugen umfangreiche Schutzmaßnahmen bei. Mündliche Verhandlungen werden hinter Plexiglasscheiben geführt, das Tragen von Mundschutz, regelmäßiges Lüften in den Arbeitsräumen der Beschäftigten und in den Sitzungssälen (u.a. durch Einsatz von Lüftungsanlagen), zeitlich versetzter Beginn der Verhandlungstermine, Überwachung der Raumluft durch CO2-Messgeräte in den Sitzungssälen, Beratungen der Richter in Telefonkonferenzen statt in Präsenz sowie die Ausschöpfung der räumlichen Reserven zur Vermeidung von persönlichen Kontakten und etliche weitere Maßnahmen sind Bestandteile des Hygienekonzeptes, das sich bewährt hat. Durch die Installation modernster Technik im Gerichtsgebäude können mündliche Verhandlungen und Erörterungstermine per Videokonferenz ohne örtliche Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten durchgeführt werden. Aktuell hinzugekommen sind Selbsttests für alle Beschäftigten des Gerichts sowie die Möglichkeit für Verfahrensbeteiligte, sich in nahe dem Gerichtsgebäude gelegenen Apotheken zeitnah vor Beginn eines Verhandlungstermins testen zu lassen.

 

Die am 1. Mai 2020 gestartete Einführung der elektronischen Gerichtsakte kam angesichts der mit der Pandemie einhergehenden Einschränkungen genau zum richtigen Zeitpunkt. Sie ermöglicht u.a. den Beschäftigten das Arbeiten im Homeoffice. Dafür wurden die Richterinnen und Richter des Hauses mit mobilen IT-Geräten ausgestattet. Auch Beschäftigte der Serviceeinheiten und der Verwaltung arbeiten dank entsprechendem IT-Equipment von zu Hause aus.

 

Trotz der unvermeidbaren Reduzierung der Zahl der Gerichtstermine konnte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen die Gesamtzahl der am Jahresende noch anhängigen Verfahren um 15 % auf 9.035 Verfahren zurückführen. Noch stärker zurückgegangen – nämlich um rund 27 % – ist die Zahl der am Jahresende anhängigen Asylverfahren (3.727). Die 75 (mitunter in Teilzeit tätigen) Richterinnen und Richter erledigten damit deutlich mehr Verfahren, als in dem Jahr eingegangen sind. Im Asylrecht werden sogar kontinuierlich fast doppelt so viele Verfahren pro Jahr erledigt wie eingehen. Dr. Gatawis hob besonders hervor, dass die Anzahl der Verfahren, die älter als ein Jahr sind, in 2020 um knapp 1.300 Verfahren abgebaut wurde, das ist Höchstwert in der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Präsident nahm diese beeindruckenden Zahlen zum Anlass, allen Bediensteten des Gerichts seinen herzlichen Dank für die geleistete Arbeit auszusprechen.

 

Das Thema Corona hat auch die Rechtsprechung des Gerichts beschäftigt. Insgesamt gingen 2020 ca. 150 Klagen und Eilanträge ein, die gegen infektionsschutzrechtliche Maßnahmen gerichtet waren. Die Verfahren betrafen unterschiedlichste Lebensbereiche. Den Schwerpunkt bildeten Quarantäneanordnungen und Beschränkungen im gewerblichen Bereich (Einzelhandel, Fleischbetriebe, Wellnessbetriebe, Hundeschulen), wie Richterin Dr. Jahrmarkt erläuterte. Auch über Befreiungen von der Maskenpflicht vor allem im schulischen Bereich, Verbote bei Freizeitbetätigungen und für Versammlungen sowie über Ausnahmen von Besuchsverboten in Pflegeheimen und Krankenhäusern musste das Gericht häufig kurzfristig entscheiden.

 

„Unseren Rechtsschutzauftrag konnten wir trotz aller Herausforderungen, die das vergangene Jahr für uns mit sich gebracht hat, jederzeit umfassend erfüllen“, konstatierte Präsident Dr. Gatawis abschließend.

 

Hinweis für Pressevertreter:

Der Pressesprecher des Gerichts, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Wolfgang Thewes, und die Pressegeschäftsstelle sind ab sofort unter der einheitlichen Durchwahl -333 erreichbar.