Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat in zwei Fällen Entscheidungen der Bezirksregierung Arnsberg bzw. Münster bestätigt, wonach muslimische Frauen am Steuer eines Kraftfahrzeuges keinen Gesichtsschleier tragen dürfen.

Die Klägerinnen, zwei Muslima aus Bochum bzw. Gelsenkirchen, beantragten bei der jeweils zuständigen Bezirksregierung eine Ausnahmegenehmigung vom Verdeckungsverbot des § 23 Abs. 4 Straßenverkehrsordnung (StVO), um als Kraftfahrzeugführerinnen einen Gesichtsschleier (Niqab) tragen zu können, der das gesamte Gesicht verdeckt und lediglich die Augen frei lässt. Zur Begründung führten sie aus, es entspreche ihrer religiösen Überzeugung, sich in der Öffentlichkeit nicht unverhüllt zu zeigen. Das in der Straßenverkehrsordnung geregelte Verbot, als Fahrzeugführer sein Gesicht so zu verhüllen oder zu verdecken, dass es nicht mehr zu erkennen ist, sei bereits nicht wirksam, da es dazu statt einer Verordnung einer gesetzlichen Regelung bedürfe. Im Übrigen verstoße das Verbot gegen die in Artikel 4 Grundgesetz (GG) garantierte Religionsfreiheit und diskriminiere in besonderer Weise muslimische Frauen, die aus religiöser Überzeugung der Ansicht sind, ihr Gesicht verdecken zu müssen.

Die 14. Kammer des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen folgte dieser Auffassung nicht, sondern sieht das Verdeckungsverbot in der StVO als wirksam und hinreichend bestimmt geregelt an. Zweck der Regelung des § 23 Abs. 4 StVO ist es, allgemein sicherzustellen, dass eine Identifizierung durch von automatischen Kontrolleinrichtungen („Radarfallen“) gefertigten Fotos möglich ist und dass eine ausreichende Rundumsicht der Fahrzeugführer gewährleistet wird. Das Verbot dient damit allgemein der präventiven Abwehr von Gefahren. Die Bestimmung stellt sich nach Auffassung des Gerichts auch als religions- und geschlechtsneutral dar, da sie unterschiedslos alle Formen der Verhinderung einer Identifizierung untersagt. Entsprechend sind auch während der Covid-19-Epidemie Verbote des Tragens von Mund-Nase-Bedeckungen von Kraftfahrzeugführern gerichtlich bestätigt worden.

Das Verbot verletzt darüber hinaus nicht die Religionsfreiheit der Klägerinnen.

Diese verhindert zwar, dass sich staatliche Organe ein Urteil über die Berechtigung der religiösen Überzeugung der Klägerinnen bilden dürfen. Die Religionsfreiheit findet hier ihre Grenzen aber in gleichwertigen Grundrechtspositionen anderer Verkehrsteilnehmer. Der Schutzbereich des Art. 4 GG gewährt gerade keinen Anspruch des Einzelnen gegen den Staat auf eine bestimmte Gestaltung der Rechtsordnung oder ihrer Anwendung nach seinen Glaubens- und Gewissensvorstellungen.

Die Kammer sah daher die Entscheidungen der jeweiligen Bezirksregierungen, die Anträge der Klägerinnen abzulehnen, als rechtmäßig an und wies die dagegen gerichteten Klagen ab. Damit bestätigte die Kammer eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz vom 8. Januar 2021 - 14 L 1537/20 -, veröffentlicht unter www.nrwe.de.

Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Die Klägerinnen können einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht für das Land NRW in Münster stellen.

Das Urteil im Verfahren 14 K 4280/21 wird in Kürze in der Rechtsprechungsdatenbank www.nrwe.de veröffentlicht.

Aktenzeichen: 14 K 4280/20 und 14 K 598/21