Mit unanfechtbarem Beschluss hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen heute den Antrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), den im Eilverfahren über den Widerruf des für den Ausländer Sami A. geltenden Abschiebungsverbots ergangenen Beschluss vom 12. Juni 2018 abzuändern, abgelehnt. Damit bleibt das seit Juni 2010 bestehende Abschiebungsverbot weiterhin vorläufig wirksam.

Die Kammer konnte weiterhin nicht feststellen, dass sich die Verhältnisse in Tunesien so deutlich geändert hätten, dass für den Antragsteller dort keine beachtliche Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung mehr bestehe. Dabei hatte die Kammer zu beachten, dass die Menschenrechte, die auch das Verbot von Folter beinhalten, ausnahmslos für Jedermann gelten. Dass der Ausländer in Deutschland als „Gefährder“ eingestuft wird, durfte bei der Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungsverboten, bei der es allein auf die Verhältnisse in Tunesien ankommt, nach dem Gesetz nicht berücksichtigt werden.

Das BAMF hatte argumentiert, die Entwicklung seit der Abschiebung von Sami A. nach Tunesien zeige, dass diesem dort auch ohne eine individualbezogene diplomatische Zusicherung keine Folter drohe. So sei der Antragsteller offenbar nicht gefoltert worden. Dies korrespondiere mit Aussagen staatlicher tunesischer Funktionsträger, dass dort Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte gewährleistet würden. Dem hat sich die Kammer nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage jedoch nicht angeschlossen. Da das Hauptsacheverfahren den Widerruf eines bestehenden Abschiebungsverbots betreffe, trage das BAMF die Beweislast für das Vorliegen der Widerrufsvoraussetzungen. Es bedürfe keiner Entscheidung, ob der Antragsteller – was zwischen den Beteiligten streitig ist – in den vergangenen Wochen unmenschlich behandelt wurde. Auch wenn er nicht gefoltert worden sei, sei der Zeitraum von 4 Wochen zu kurz, um eine grundlegende Änderung der Umstände festzustellen. Nach den zur Verfügung stehenden Informationen dauerten die Ermittlungen gegen Sami A. an, so dass es jederzeit zu weiteren Verhören kommen könne. Auch das aktuell hohe Medieninteresse an dem Fall biete keinen längerfristigen Schutz. Es beruhe maßgeblich auf den hiesigen Umständen der Abschiebung und lasse daher keine gesicherten Schlüsse für einen längeren Zeitraum zu. Die dem Gericht vorgelegte schriftliche Zusammenfassung eines Telefonats der Deutschen Botschaft in Tunis mit dem stellvertretenden Leiter der tunesischen Antiterror-Schwerpunktstaatsanwaltschaft reiche ebenfalls nicht aus, um die Sicherheit des Antragstellers zu gewährleisten. Die Äußerungen seien nicht mit einer diplomatischen Zusicherung vergleichbar. Sie seien schon deshalb schwer zu bewerten, da die Zusammenfassung von einer nicht an dem Gespräch beteiligten Person gefertigt sei.

Aktenzeichen: 7a L 1437/18