Aufgrund eines unanfechtbaren Beschlusses des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 12. Juli 2018 kann ein tunesischer Staatsangehöriger, der im Verdacht steht, Leibwächter von Osama Bin Laden gewesen zu sein und von den deutschen Behörden als islamistischer Gefährder eingestuft wird, vorläufig nicht nach Tunesien abgeschoben werden. Damit bleibt das für ihn festgestellte Abschiebungsverbot für Tunesien bis zu einer abschließenden Entscheidung im Klageverfahren wirksam.

 

Bereits mit Bescheid vom 21. Juni 2010 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aufgrund eines Urteils des Verwaltungsgerichts Düsseldorf und mit Bestätigung der wesentlichen Aussagen dieses Urteils durch das Oberverwaltungsgericht für das Land NRW (OVG) fest, dass der Kläger nicht nach Tunesien zurückgeführt werden dürfe, da ihm dort Folter und unmenschliche Behandlung drohe (Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes in der damals geltenden Fassung).

Mit Bescheid vom 17. Juli 2014 widerrief das BAMF diese Feststellung, weil sich nach dem Umsturz in Tunesien seit Anfang des Jahres 2011 (sog. Arabischer Frühling) die Verhältnisse so geändert hätten, dass dem Kläger die früher festgestellten Gefahren nun nicht mehr drohten. Diesen Widerruf hob das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen mit Urteil vom 15. Juni 2016 auf (7a K 3661/14.A, veröffentlicht unter www.nrwe.de, vgl. auch Pressemitteilung des VG Gelsenkirchen vom 17. Juni 2016).

 

Mit Bescheid vom 20. Juni 2018 widerrief das BAMF die Feststellung dieses Abschiebungsverbotes erneut und ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheides an. Hiergegen richtet sich der mit Beschluss vom am 12. Juli 2018 beschiedene Antrag des Tunesiers.

 

Der Einschätzung des BAMF vermochte sich die 7a. Kammer des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage in dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht anzuschließen und verblieb damit im Ergebnis bei ihrer Einschätzung im Urteil vom 15. Juni 2016. Die Kammer konnte - anders als das BAMF in dem Bescheid vom 20. Juni 2018 - nicht feststellen, dass sich die Verhältnisse in Tunesien so weit geändert hätten, dass für den Antragsteller im Fall der Rückkehr nach Tunesien keine beachtliche Gefahr mehr bestehe. Eine diplomatische verbindliche Zusicherung der tunesischen Regierung, dass dem Antragsteller im Falle der Rückkehr keine Folter drohe, liegt nach den Feststellungen der Kammer nicht vor. Die Erklärung des tunesischen Ministers für Menschenrechte vom 1. Mai 2018 sei nicht gegenüber staatlichen Stellen, sondern allein gegenüber einem deutschen Presseorgan abgegeben worden und reicht deshalb nach Auffassung der Kammer nicht aus, um die Sicherheit des Antragstellers vor menschenrechtswidriger Behandlung in Tunesien zu gewährleisten.

 

Aufgrund der aktuellen Widerrufsentscheidung des BAMF drohte die Ausländerbehörde der Stadt Bochum dem Antragsteller die Abschiebung nach Tunesien an. Diese Maßnahme ist aufgrund der bisher bestehenden tatsächlichen Duldung des Aufenthalts des Klägers in Deutschland erforderlich, um eine Abschiebung zu ermöglichen. Mit Beschluss vom 11. Juli 2018 (8 L 1240/18)  hat die für die aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen zuständige 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen die Abschiebungsandrohung für rechtmäßig erachtet, da der Antragsteller ausreisepflichtig ist. Die Abschiebungsandrohung kann unabhängig vom Bestehen der durch das BAMF zu prüfenden Abschiebungsverbote ausgesprochen werden und dient lediglich der rechtlichen Vorbereitung der tatsächlichen Abschiebung.

 

 

Zum Hintergrund:

Der 1976 geborene Kläger ist tunesischer Staatsangehöriger, der 1997 zu Studienzwecken nach Deutschland eingereist ist. Ihm wurde vorgeworfen, im Jahr 2000 eine militärische und ideologische Ausbildung in einem Ausbildungslager der Al Kaida in Afghanistan absolviert und zeitweise zur Leibgarde von Osama Bin Laden gehört zu haben. Anschließend soll er sich in Deutschland als salafistischer Prediger betätigt haben. Der Kläger hat diese Vorwürfe stets bestritten. Die Bundesanwaltschaft hatte gegen ihn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, aber schließlich mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Gleichwohl nahm die Ausländerbehörde der Stadt Bochum die genannten Vorwürfe zum Anlass, den Kläger auszuweisen.

Bereits im Jahr 2006 hatte der Kläger einen Asylantrag gestellt, mit dem er geltend gemacht hatte, dass er wegen ihm in Tunesien drohender menschenrechtswidriger Behandlung nicht nach Tunesien zurückgeführt werden könne.

 

Das Gericht stellte in seiner Entscheidung vom 15. Juni 2016 insbesondere klar, dass die Frage islamistischer oder salafistischer Vergangenheit oder Betätigung des Klägers für die Entscheidung keine Rolle gespielt habe. Dem Verbot, Menschen der Folter auszusetzen, komme im internationalen und nationalen Recht ein so hoher Stellenwert zu, dass niemand einem entsprechenden Risiko ausgesetzt werden dürfe.

 

Aktenzeichen: 7a L 1200/18.A